Was braucht es, um die Energieinfrastruktur – insbesondere Gas-, CO₂- und Wärmenetze – zukunftsfit zu machen und aktiv zur Energiewende beizutragen? Diese zentrale Frage wurde am 2. Juni 2025 beim NEFI Technology Talk der Montanuniversität Leoben (Lehrstuhl für Energieverbundtechnik) in Kooperation mit Green Tech Valley intensiv von Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis diskutiert. Basis der Diskussion war der aktuelle Green Tech Radar, der regelmäßig Themen der Energiewende beleuchtet und sowohl den Stand der Forschung als auch Potenziale künftiger Entwicklungen analysiert.
Die Wärmenetze zeichnen sich künftig durch zwei wesentliche Entwicklungen aus: Einerseits werden sie größer, mit ersten überregionalen Wärmetransportleitungen, und andererseits kälter, um effizienter und exergiesparender betrieben zu werden. In seinem Vortrag zur technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit überregionaler Wärmenetze demonstrierte Josef Steinegger eindrucksvoll, dass solche Wärmetransportleitungen sowohl für Kunden als auch Wärmeerzeuger wirtschaftlich attraktiv sind. Zudem weisen sie gegenüber herkömmlichen lokalen Wärmenetzen eine höhere Effizienz auf. Ein zusätzlicher Vorteil liegt in der besseren Auslastung bestehender Anlagen: Überregionale Systeme erlauben mehr Volllaststunden und somit die Nutzung zusätzlicher Wärme, ohne dass neue Anlagen gebaut werden müssen. Im Vergleich zu ähnlich dimensionierten Wärmeprojekten ergibt sich ein Investitionsvorteil von fast 50 Prozent.
Ein weiterer Trend liegt in sogenannten Anergienetzen. Dabei handelt es sich um Wärmenetze, die nahe der Umgebungstemperatur betrieben werden. Die finale Heiztemperatur wird dann dezentral mittels Wärmepumpen bei den Verbrauchern erzeugt. Voraussetzung dafür sind jedoch Gebäude, die dem Niedrigenergiestandard entsprechen, da nur so eine effiziente Nutzung möglich ist. Der wesentliche Vorteil von Anergienetzen besteht in einem erheblichen Einsparpotenzial an Exergie.
Auch in den Gasnetzen zeichnet sich ein klarer Trend ab: Künftig werden vermehrt Wasserstoffleitungen neu errichtet oder bestehende Methanleitungen auf Wasserstoffbetrieb umgestellt. Gleichzeitig steigt auch die Einspeisung von Biomethan ins bestehende Netz. Raphael Bertagnolli von der AGGM verdeutlichte diesen Wandel eindrucksvoll anhand der Ausbaupläne für das zukünftige Wasserstoffnetz. Bereits innerhalb der kommenden fünf Jahre sollen in Österreich erste vollständig wasserstoffbetriebene Netze in Betrieb gehen. Darüber hinaus bietet sich Österreich – analog zur Erdgas-Speicherung – ideal für zukünftige Wasserstoffspeicher an. Bestehende Erdgasspeicher könnten kurzfristig für Wasserstoffnutzung umgerüstet werden. Langfristig kommt auch die Nutzung von Aquiferspeichern infrage.
CO₂-Transportnetze gelten als zentrale Infrastruktur der Zukunft. Denn selbst bei konsequenter Nutzung erneuerbarer Energien bleiben in Industriebereichen wie der Zementherstellung oder der Abfallwirtschaft sogenannte Hard-to-abate-Emissionen bestehen, deren technische Vermeidung aktuell kaum möglich ist. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Kohlenstoff für die chemische Industrie oder synthetische Energieträger, der heute noch hauptsächlich aus fossilen Quellen gedeckt wird. Die größte Herausforderung liegt in der effizienten Verbindung von CO₂-Quellen und -Senken. Susanne Hochmeister von der Montanuniversität Leoben erläuterte eindringlich die Notwendigkeit leistungsfähiger und strategisch geplanter CO₂-Transportnetze. Der Transport sollte idealerweise in dichter oder überkritischer Phase erfolgen – bei Drücken zwischen 85 und 150 bar –, wodurch große Mengen effizient transportiert werden können. Diese höheren Drücke machen jedoch den Neubau spezieller CO₂-Leitungen unumgänglich. Weltweit bestehen bereits über 9.000 Kilometer CO₂-Pipelines. Erste Projekte sind meist einfache Point-to-Point-Verbindungen. Aktuell entstehen zunehmend regionale Cluster, die CO₂-Ströme bündeln und über größere Distanzen transportieren. Langfristig ist ein überregionales, grenzüberschreitendes Verbundsystem – vergleichbar mit heutigen Strom- und Gasnetzen – geplant.
Im Rahmen einer Panel-Diskussion hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, den geladenen Panelgästen gezielt Fragen zu den diskutierten Themen zu stellen. Auf dem Podium diskutierten Valentin Ernst (Energie AG OÖ), Thomas Kienberger (Montanuniversität Leoben/NEFI), Elvira Lutter (WIVA P&G), Adolf Melcher (Kelag Energie & Wärme) und Susanne Supper (Green Energy Lab) – allesamt ausgewiesene Expert*innen auf ihren jeweiligen Gebieten. Ein zentrales Ergebnis der Diskussion war: Trotz bereits erzielter Erfolge muss Österreich den Ausbau seiner Energieinfrastruktur und den Fortschritt der Energiewende erheblich beschleunigen, um international nicht den Anschluss zu verlieren. Denn erneuerbare Technologien stellen heute bereits die wirtschaftlich attraktivste Energieform dar, weshalb der weltweite Trend zu erneuerbaren Energien unabhängig von Österreichs Beteiligung weiter fortschreiten wird. Einigkeit bestand darin, dass Förderprogramme für erneuerbare Energien nachhaltig und zuverlässig gestaltet werden sollten. Dabei wurden langfristige, wenn auch niedrigere, Förderungen gegenüber kurzfristigen, volatilen Programmen klar bevorzugt – insbesondere wegen der höheren Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft. Zusammenfassend gaben die Panelgäste einen optimistischen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung: In der Energiebranche, insbesondere bei Infrastruktur und erneuerbaren Technologien, ist die Nachfrage nach Fachkräften groß. Gleichzeitig besteht ein wachsendes Interesse junger Menschen, in diesem zukunftsträchtigen Sektor aktiv zu werden. Passend dazu schließt dieser Rückblick mit einem augenzwinkernden und treffenden Zitat eines Panelgastes: „Die Energiebranche ist sexy.“